Fritz Wittmann


"Ich bin zutiefst ein Demokrat."



Es sind oft die kleinen Gesten, die sich einprägen und einen Menschen in einem besonderen Licht erscheinen lassen. Es sind auch die kleinen Augenblicke, die Aufschluss über eine Person geben.

Es war bei seiner Abschiedsrede 2014 in der Eskara, als sich Fritz Wittmann als scheidender  Bürgermeister des Marktes Essenbach in den Ruhestand verabschiedete. Auf seinem Arm seine dreijährige Enkelin Antonia im blauen Kleid mit selbstgeschnittener, sportlicher Kurzhaarfrisur, mit Opas Krawatte spielend. Vom zielorientierten Politiker zum leidenschaftlichen Familienmenschen ist für Fritz Wittmann kein Spagat, sondern ein fließender Übergang. Gelten doch in der Politik die gleichen Maßstäbe wie in der Familie: Verantwortungsgefühl, Leidenschaft in der Sache, ein Herz für die Belange der Mitmenschen, eine geradlinige Haltung und das Beste für das Allgemeinwohl. Glaubwürdigkeit sollte man noch hinzufügen und mit reinem Gewissen seinen Überzeugungen treu bleiben, ohne starr auf seinen Standpunkten zu verharren.  Auch hier punktet Fritz Wittmann. Der Mann ist authentisch, hat sich nicht verbiegen lassen und Machtgehabe ist ihm zuwider.  

 

Eigentlich wollte er als Junge Bäcker oder Kaminkehrer werden. Ob es an den Farben der Kleidung lag, die seine Oma, eine „Nadlerin“ bevorzugt in schwarz/weiß für ihn nähte, bleibt offen. Jedenfalls hat es sein Denken nicht beeinflusst und auch nicht seine politische Zuordnung. Die ist orange-blau.

 

Seinen schulischen und beruflichen Werdegang beschreibt der 67-jährige, heutige stellvertretende Landrat, als linear. Nach zwei Jahren Bundeswehr Studium Lehramt Hauptschule an der Pädagogischen Hochschule Regensburg, Schwerpunkt Mathe und Sport. Schon damals disziplinierter Student mit effektivem Arbeitsstil– einer schrieb mit und kopierte das Script für die anderen drei – fleißig, zielstrebig, keine Vorlesung auslassend, die Besuche im Kneitinger Keller aber auch nicht.  In allen Punkten bestimmt keine schlechte Voraussetzung für das spätere Bürgermeisteramt. Seine Frau Angela studierte zur gleichen Zeit Lehramt für Grundschule in Regensburg „und 1975 feierten wir unsere Studentenehe“, beschreibt Fritz Wittmann einen seiner vielen positiven Lebensabschnitte.

Fußball, zehn Jahre erster Volleyball-Trainer mit B-Lizenz beim TSV Niederviehbach – die Freizeit war ausgefüllt. Besonders in der AH mit Gerhard Schellin, dem Gute-Laune-Macher mit Organisationstalent vom SVE, war immer was los. 

 

 

1991, Fritz Wittmann hatte gerade die Konrektorstelle in der Hauptschule Essenbach angetreten, als er vier Monate später vor der Entscheidung stand,  für das frei werdende Bürgermeisteramt zu kandidieren. Josef Neumeier wechselte als Landrat seine politische Position. Ein wochenlanger Entscheidungsprozess, dem auch die Familie zustimmen musste, gipfelte schließlich in den Wahlsieg. „Am Freitag hab ich den Kindern in der Schule noch gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich am Montag noch mal komme. Und so war es dann auch. Am Freitag noch in der Schule, am Montag Chef der Verwaltung im Rathaus. Ich bin dann am Bürgermeisterschreibtisch gesessen, ich weiß das noch wie heute, und hab mir gedacht, so, da sitz ich nun. Denn du lernst nicht Bürgermeister, du wirst es. Aber mit Elan hab ich mich an die Arbeit gemacht und immer versucht, der zu bleiben, der ich war. Was ist wichtig für die Bürger, für ein bestimmtes Ziel und für die Menschen, das war immer mein Anspruch. Erst, wenn du selbst in dem Amt steckst, merkst du, welche wichtigen Weichen Josef Neumeier gestellt hat. In diesem Sinn war er für mich Vorbild, selbst aktiv zu gestalten, Projekte voranzutreiben, zum richtigen Zeitpunkt zu entscheiden. Ich habe eine Gemeinde übernommen, die in Fluss war und die Josef Neumeier ins Fließen gebracht hatte.“

 

Sah sich Friedrich der Große zu dem Ausspruch „Ich bin der erste Diener meines Staates“ befähigt, so wandelte Fritz Wittmann für sich das Zitat ab zu dem Ausspruch „Ich bin der erste Arbeiter der Gemeinde.“ Und das war er. 23 Jahre lang. 2014 ging er in den Ruhestand und bekleidet seitdem das Amt des stellvertretenden Landrats. 

Wie schafft man es, in einem Amt so lange tätig zu sein, 150 mal im Jahr zusätzlich auch abends unterwegs zu sein, sich den Anforderungen, Anfragen, Entscheidungen zu stellen, ohne sich vollends zu verausgaben? 

„Man muss belastungsfähig sein“, sagt Fritz Wittmann. „Und Dinge, die man nicht verändern kann, akzeptieren und den Mut aufbringen, Dinge zu ändern, die man ändern kann. Er geht rational an den Stress heran. Oberstes Gebot: Lass dich nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn es schwierig wird. Nicht provozieren lassen. Auch wenn es nervt, es nicht zu zeigen. Für Fritz Wittmann ist das Wichtigste der Dialog. „Sich auch hinterfragen, was mache ich falsch. Bei 150 Mitarbeitern muss ich berechenbar sein. Motivierte Mitarbeiter brauche ich, um die Arbeit gut durchführen zu können. Dazu gehört es,Eigeninitiative und Fähigkeiten zu fördern und sie Verantwortung übernehmen zu lassen. 

Gefragt nach seinen wichtigsten Projekten in seiner Amtszeit, nennt er als ersten Punkt die Familien. „Versuchen, junge Leute durch bezahlbares Bauland zu unterstützen, dass sie in der Gemeinde bleiben. Dazu gehören Kindergärten, Krippen, ein Hort. In diesem Bereich haben wir viel getan.“

Als 2011 seine Enkelin Antonia geboren wurde (Sohn Christoph arbeitet beim Bayerischen Rundfunk und Kerstin, seine Schwiegertochter studierte zu der Zeit Lehramt) fuhr er ein halbes Jahr jeden Donnerstag nach München, um Antonia von 8-17 Uhr zu betreuen. Dafür nahm er wöchentlich einen Tag Urlaub. „In der Zeit ist mein Respekt vor Müttern unheimlich gewachsen“, sagt der Familienmensch und erzählt von den Schwierigkeiten, Windeln zu wechseln und zu füttern, wenn das Baby schon sehr aktiv ist.  Als sein Sohn Christoph noch schulpflichtig war, holte er ihn jeden Tag von Landshut von der Schule ab, um mit ihm und seiner Frau Angela gemeinsam Mittag zu essen. Bestimmt nicht einfach, bei dem engen Zeitfenster eines Bürgermeisters. Aber da setzt er Prioritäten. 

 

Wenn Fritz Wittmann erzählt, sei es über politische Entscheidungen oder sein Engagement in der Familie, tut er das ohne Pathos und Eitelkeit. Er hört zu, stellt sich den Fragen, antwortet auf diese. Er doziert nicht. Er klopft sich nicht selbst auf die Schulter. Er erklärt sachlich, ohne jemals kühl zu wirken, kann eigene Schwächen und Fehler zugeben. 

 

„Der Mensch lebt nicht nur von der Arbeit allein“, ist die feste Überzeugung von Fritz Wittmann. Aus diesem Grund ließ er die Eskara und Musikschule bauen. Um in dieser rationalen Welt einen Ausgleich zu schaffen, einen Ort für kulturelle Vielfalt. 700 Jugendliche und Erwachsene haben hier ihre musikalische Oase gefunden. Fritz Wittmann sieht es auch als Bildungsauftrag und Jugendarbeit und über negative Schwarzmaler schüttelt er den Kopf. Die Zahlen sprechen für sich. 

Sein letztes und bahnbrechendes Projekt war der Breitbandausbau mit Glasfaser. Er war Vordenker und Wegbereiter im Markt Essenbach für den flächendeckenden Ausbau des schnellen Internets. „Während wir noch über Megabit nachdenken, ist die Zeit schon reif für Gigabits. Während Telekom noch an Kupferleitungen festhält, ist unser Betreiber längst einen Schritt weiter gegangen. Ja, Glasfaser war Chefsache und meine Leute haben sich unheimlich in dieses Projekt hineingekniet. Es war dir richtige Entscheidung.“ Durch schnelles Internet ist der Standort Essenbach für Firmen noch attraktiver und es werden neue Arbeitsplätze geschaffen. 

 


Ein schmerzhafter Punkt in seiner Laufbahn war, die bereits vom Kreistag getroffene Entscheidung für den Gymnasium-Standort Essenbach rückgängig zu machen. „Ein politisch gelenktes Manöver, in dem die Demokratie auf unsauberem Wege gestürzt wurde.“ Fritz Wittmann schluckt – man merkt heute noch seine Verwundbarkeit – bevor er das Thema mit den Worten: „Ungerechtigkeit pack’ ich nicht“, abschließt. Seine kommunale Verdienstmedaille hat er zurückgegeben. 

 

 

Konsequent, werteorientiert, offen, meinungsstark und ein überzeugter Europäer, deshalb waren für ihn die Partnerschaften mit Savignano und Savigneux eine Herzensangelegenheit. „Die italienische Leichtigkeit mit dem französischen savoir-vivre und der deutschen Gründlichkeit verbinden,  das ist das perfekte Dreieck“, sagt Fritz Wittmann, der für Toleranz und die Vielfalt in einem demokratischen Staat wirbt. Der dankbar ist, im goldenen Zeitalter ohne Krieg leben zu dürfen und sich bewusst ist, welch großes Glück das ist. „Ja, das mit dem Glück ist so eine Sache. Es ist nicht planbar und kommt oft nebenbei. Man muss nur aufpassen, dass man es nicht übersieht.“ Was sind seine Glücksmomente? „Ein harmonisches Familienleben, seine Entscheidungen bewusst treffen zu können, ehrliche Freundschaft erleben zu dürfen, ein Konzert zu genießen oder eine Brotzeit auf der Alm.“ Oder im Liegestuhl auf der Terrasse liegend „Maria ihm schmeckt’s nicht“ lesen. Ein unverzichtbares Buch zur deutsch-italienischen Freundschaft.

Wie passend.