Heidelinde Schmid

"Ich bin Transporteur der Musik."



Im Herzen des Landkreises Passau, an der mächtigen Mutter Donau, eingebettet in viel grüne Natur, liegt die Marktgemeinde Windorf. Bayerisch, traditionell, modern und liebenswert, wie der Sprecher in einem Video der Webseite den Markt beschreibt. Und hier, am Marktplatz, in einem alten Dorfbauernhof, ist auch der Lebensmittelpunkt von Heidelinde Schmid – Opernsängerin und Gesangspädagogin. 

 

Nach 22 Jahren des Pendelns, verbunden mit mehrwöchigen Tourneereisen und Leben aus dem Koffer, ist sie mit ihrem Mann zurückgekehrt in ihr Elternhaus mit dem großen Garten und der Obstbaumwiese. Ihr Sohn Max wächst mit Opa und Oma in einem Mehrgenerationenhaus auf. „Sehr bereichernd“, sagt Heidelinde Schmid, die das Leben in der Großfamilie kennt. Ihr Highlight der Woche war der Mittwochabend, an dem die Volksmusikprobe auf dem Dachboden im Hause Riesinger stattfand und sie vom Kinderzimmer aus zuhören konnte. Ihr Vater erkannte bald das Potential der Tochter und so stand sie schon als Vierjährige, begleitet von ihrem Papa an der Steirischen, bei einer Weihnachtsfeier auf der Bühne. Sie fand das toll. Der Grundstein zur Sängerin war gelegt. 

 

Mit sechs Jahren im Kinderchor, mit zehn im Kirchenchor, musisches Gymnasium mit Hauptfach Klavier und dem Glücksfall, in der siebten Klasse von der Gesangspädagogin Kjellaug Tesaker unterrichtet zu werden. Ihre Musiklehrerin am Gymnasium sang auch professionell am Stadttheater. Diese Professorin nahm sie später mit ans Mozarteum nach Salzburg, wo sie parallel zur Kollegstufe als Jungstudentin Gesang studierte. „Eine prägende Zeit und unsere Verbindung besteht bis heute“, so Heidelinde Schmid. Ebenso formend die Zeit bei Professor Loibl an der Hochschule für Musik und Theater und an der Opernschule August Everding-Akademie am Prinzregententheater. „Du bekommst deine Partien, deine Noten, lernst von der Pike auf musikalische und szenische Umsetzung und wirst Schritt für Schritt auf die Oper vorbereitet.“ Die Abschlusspartie der Gräfin im Figaro krönt das Studienende. In der Zeit pendelt sie schon zwischen München und Landshut, der Stadt, in der ihr Mann lebt. Dazwischen hat sie Auftritte im Passauer Dom, mit dem Kammerchor Vilshofen und ist im ganzen nieder-bayerischen Raum unterwegs.

 

Gerüstet mit dem richtigen Handwerkszeug geht sie mit Selbstvertrauen auf die Bühne. „Du brauchst dieses Vertrauen in dich selbst. Wenn ich weiß, wie singen geht, wie ich meinen Atem einsetze, wenn ich gut vorbereitet bin und Orchester, Dirigent und Pianist passen, gehe ich ohne Bedenken auf die Bühne. Man darf nie zweifeln- hoffentlich kommt der hohe Ton - man muss so ein Vertrauen in sich und seine Stimme haben, dann kommt er auch. Wenn man denkt, das wird nichts, hat man schon verloren. Ein gewisses Maß an Lampenfieber braucht man, aber es darf nicht so weit kommen, dass einem der Atem stockt. Ich nenne es freudige Erregtheit, bevor ich die Bühne betrete. Ich bin Sängerin vom Herzen heraus. Singen ist mein Leben. Ich hatte begonnen, Lehramt zu studieren und gemerkt, dass ich das Singen der Mathedidaktik vorziehe. Dafür unterrichte ich heute Gesang. Was gibt es Schöneres, als die Stimme meiner Schüler zu formen, die Technik zu vermitteln und auch mal die Tonproduktion zu erklären. Singen ist Persönlichkeitsbildung. Du musst dir viele Steine aus dem Weg räumen, das prägt. Ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann. Es wird nicht aus jedem ein Opernsänger. Wenn sie aber z. B. mit dreizehn Jahren mit einem Popsong zu mir kommen, nach einigen Gesangsstunden auch Klassik gut finden und den Weg eines Gesangsstudiums einschlagen, wie ich es bei drei meiner Schüler erlebt habe, ist das der schönste Beruf, den man ausüben kann. Du kannst auch einen Schüler nicht nur mit Übungen überhäufen, du musst ihn bei gemeinsamen Klassenabenden oder bei 
Gottesdiensten auftreten lassen.“ 

So spricht eine Gesangspädagogin und ein Motivationscoach, der die mentale Stärke seiner Schüler fördert und sie zu ihrem persönlichen Erfolg führt.

 

Der Körper ist ihr Instrument.

„Ich bin keine hysterische Sängerin, die Schal trägt. Es darf auch mal ein kaltes Bier sein. Aber auf meine Stimme muss ich aufpassen. Ich meide Orte, wo geraucht wird.“ Sie hält sich fit durch Radfahren, Walken und mit Krafttraining, denn auf der Bühne braucht man Kondition. Es ist die Vielseitigkeit, die sie an ihrem Beruf liebt. Die Beschäftigung mit den Texten, die Interpretation der Rolle: Wo hat die Figur gelebt, in welchem zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext ist sie angesiedelt. Mit welcher inneren Haltung agiert sie. Die Elisabeth in Tannhäuser könnte sie sich vorstellen. Die Agathe im Freischütz war sie schon. Damit ging 2015 ihr Jugendtraum in Erfüllung. Seit sie mit fünfzehn Jahren im Stadttheater Passau eine Brautjungfer aus dieser Oper präsentierte, hatte sie von Agathe geschwärmt. Jetzt verkörperte sie selbst die Rolle im Freien Landestheater Bayern. Über eine andere Darstellung, die der Kammerzofe in der Mozartoper „Cosi fan tutte“, ist in einer Pressemitteilung zu lesen: „dass sie mit Bodenhaftung und kräftigem Sopran die Rolle singt.“ „Ja, ich bin dramatischer Sopran und eben kein Püppchen. Das hat schon mein Sohn erkannt, der zu mir sagte ‚Mama, du bist eine handfeste Frau‘. Starke Frauen, die um ihre Liebe und ihr Leben kämpfen, freiheitsliebende, selbstbestimmte Frauen wie Carmen sind mir sympathisch. Aber das ist eine Mezzosopran-Partie“, sagt sie und lächelt.

 

Verdis Requiem mit großer Chor- und Orchesterbesetzung war für sie ein Riesenerlebnis. Sie konnte alles bis dahin Gelernte in dieser „schönsten Oper Verdis“ einsetzen. Beim Schlussapplaus – große Gefühle. „Ich schließe die Augen und versuche, das zu speichern. Nicht als Bestätigung, sondern als Dankbarkeit, dass man eine Musik wie Verdi singen darf.“ Nach Auftritten nimmt sie nicht das Bad in der Menge, sondern lieber die Hintertür und kehrt dorthin zurück, wo sie ihr höchstes Glück findet. „Ich bin eine Heimatnudel. Ich muss wissen, wohin ich zurückkomme. Ich brauche Heimat. Und ich bin in erster Linie Mutter. Die Familie geht vor.“ 

Heute bevorzugt sie „familienfreundliche“ Konzertabende, die sie nur drei bis vier Tage von Zuhause fortführen und nicht sechs Wochen wie bei großen Opern-Tourneen. 

 

2018 erhält sie den Kulturpreis. Eine Würdigung des Landkreises Passau für Künstler der Region. „Es war eine Überraschung. Ich wusste nicht mal, dass ich nominiert war. Ich habe mich sehr darüber gefreut“. Für Heidi Riesinger, die schon im Kinderchor gesungen hat, singend von der Schule heimhüpfte, beim Dreigesang mitsang, war es eine Wertschätzung, dass ihre jahrelange Tätigkeit wahrgenommen worden war.

Sie ist eine Sängerin, die, seit sie fünfzehn Jahre alt ist, solistisch unterwegs ist, auch mit gebrochenem Arm und Wirbelbruch ihren Vertrag erfüllt und auf der Bühne steht, die sich als Transporteur der Musik sieht und die ihrer Familie dankbar ist für die Akzeptanz und das Verständnis für ihren Beruf. 

 

Heidelinde Schmid bezeichnet sich als Glückskind. „Ich bin ein absolut positiver Mensch mit einem starken Glauben. Ich weiß, dass ich Gott vertrauen kann, auch, wenn mal etwas nicht so läuft, wie man es sich denkt. Wenn man offen bleibt, sieht man den Sinn dahinter und erkennt, dass es vielleicht ein Geschenk war. Glücksgefühle habe ich auch, wenn ich zu Hause mit meinem Sohn Monopoly spielen kann oder draußen in unserem großen Garten arbeite. Wer mich da werkeln sieht, würde nicht vermuten, dass ich abends ein schönes Kleid trage.“ Bei dem Gedanken lacht sie laut auf.

 

Ein weiteres Lebenselixier sind die Berge, speziell Zederhaus, im Lungau in Österreich. Der zweite Stützpunkt der Familie. Hier wandert sie nicht nur ausgiebig und voller Begeisterung, hier geht’s auch auf die Jagd.  Aha! Vielleicht deshalb die Vorliebe für den Freischütz! Die Oper handelt vom Jägersburschen Max, der einen fürstlich angeordneten Probeschuss abgeben muss, um seine geliebte Agathe heiraten zu können. (Max: Ich hab in der Dämmerung einen Sechzehnender geschossen. . . Agathe: Wo liegt der Hirsch?) Bei dem Text muss ja das Jägerherz höherschlagen! 

 

Heidelinde Schmid – Familienmensch, naturverbunden, mit Erdhaftung. Eine Frau, die Würde und Respekt für jeden Menschen fordert und kleinkariertes Denken und Egoismus ablehnt. Die weiß, dass sie nicht die ganze Menschheit retten, aber wenigstens eine syrische Familie unterstützen kann. Ein Mensch, der für ein christliches, selbstloseres Verhältnis untereinander und in der Gesellschaft plädiert. Eine Persönlichkeit, die große Dankbarkeit für das Gute und Schöne auf der Welt und im Leben empfindet. Wenn sie nach einem Auftritt nachts um 22 Uhr nach Hause fährt, stoppt sie oft vor einer Jägerkapelle bei Windorf, schaut in den Himmel und denkt sich: Wie schön ist doch die Welt.

 

Heidelinde Schmid – eine Frau, die schon lange bei sich angekommen ist. 

 


Im Video sehen und hören Sie eine Kostprobe aus den Wohnzimmerkonzerten:

 

Die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss und Wesendonck-Lieder von Richard Wagner. 

 

Mit Heidelinde Schmid, Andreas und Stefan Kirpal.