Sie haben im Eishockeysport ihre höchsten persönlichen Ziele erreicht, standen mit den Besten der Welt auf dem Eis, erlebten Siege und Niederlagen, kämpften sich nach schweren Verletzungen zurück aufs Eis. Sie lernten schon in jungen Jahren Fairness, Respekt und Verantwortung, was für einen Mannschaftssport und die Gesellschaft unerlässlich ist. Heute können sie aus einem großen Erfahrungspool schöpfen und ihre sportliche und soziale Kompetenz beruflich weitergeben. Die beiden Brüder, Tobias als Trainer der U20 Eishockey-Nationalmannschaft und Peter, der als Sport- und Fitnesskaufmann im Clever fit die Leute in Form bringt.
Sie sind in einem Geschäftshaushalt in Landshut aufgewachsen und lernten schon früh, sich höflich und respektvoll zu benehmen. Aufmerksamkeit und Freundlichkeit anderen gegenüber waren die Tugenden, die im Elternhaus vorgelebt wurden.
„Unsere Eltern hatten ein Modegeschäft für Damen und Herren am Dreifaltigkeitsplatz. Benehmen war wichtig und das Grüßen eine Selbstverständlichkeit“, erinnert sich Peter Abstreiter. Zum Familienverbund gehört auch Schwester Monika. „Und da wir eine sehr tierliebende Familie waren und natürlich heute noch sind, hatten wir zwei Katzen, zwei Hunde und unsere Schwester hatte ein Pferd.“ Die sportliche Variante brachte der Vater mit ein. Er spielte Eishockey in Moosburg und gab diese Leidenschaft an seine Söhne weiter. Zunächst an den Erstgeborenen, Tobias, der 1986, als 16-Jähriger, seine Karriere beim EV Landshut in der 1. Bundesliga startete.
„Mein großer Bruder war immer mein Vorbild. Nicht nur im Sport“, sagt Peter. „Er hat mich an der Hand genommen, im Sommer, wenn er zuhause war jeden Tag mit mir trainiert, mich an das Krafttraining herangeführt. Er war mein Idol.“ Verständlich bei der sportlichen Bilanz von Tobias Abstreiter: 1994 Deutscher Meister mit dem EC Hedos München. 1995 Deutscher Meister mit den Kölner Haien. Für den damals vierzehn-/fünfzehnjährigen Peter sicher ein großes Erlebnis, zumal er 1998 in die Fußstapfen seines Bruders trat.
Bemerkenswert ist die Harmonie zwischen den beiden. Zwei Menschen, die sich im Gespräch ergänzen, sich nie ins Wort fallen, dem jeweils anderen seinen Gedanken in Ruhe ausführen lassen. Deshalb verwundert auch die Aussage nicht, dass sie schon als Kinder selten Streit hatten. „Wenn er sauer wurde, hab ich sofort gewusst, bis hierher und nicht weiter“, erinnert sich Peter.
Die größte Herausforderung für beide war sicher der Sprung vom Nachwuchs ins Profi-Eishockey und auch ein wichtiger Schritt in ihrer Entwicklung. „Wenn es aber dann so weit ist, dass der Manager zu dir sagt, wir hätten dich gerne als Profi, dann ist das schon ein besonderes Gefühl“, erinnert sich Peter und erzählt von seiner Spielerzeit. „Als Profi trainierst du sechsmal die Woche. Am Freitag wird dir gesagt, dass du ab Montag für sechs Wochen in Kanada bist. Du packst deine Koffer, fühlst dich aber nie allein. Es sind immer zwanzig Jungs um dich rum. Die älteren Spieler laden die jüngeren ein, es wird gegrillt. Du lernst in einer Mannschaft Zusammenhalt. Es ist leichter als im Einzelsport. Es ist wie in einer Großfamilie, die den ganzen Tag um dich herum ist.“
Eishockey ist Leidenschaft, Dynamik, Emotionen. Man muss Druck aushalten können und mentale Stärke zeigen. Ein Spieler stellt auch an sich selbst hohe Leistungsansprüche. Nicht immer ganz so einfach, oder?
„Wenn du deine Leistung nicht ganz abrufen kannst, nimmst du das natürlich mit nach Hause. In jungen Jahren hab ich vom Talent gelebt, hab das Training schleifen lassen. Tobias hat mich, als ich siebzehn war, auf die richtige Spur gebracht und mir vermittelt, dass es ohne Extratraining nicht weiter geht. Eine große Stärke ist sicher, dass ich mit Drucksituationen gut umgehen kann und in wichtigen Spielen meine Leistungen abrufen konnte.“
Wodurch habt ihr euch als Spieler unterschieden?
„Ich habe instinktiv gehandelt, vom Bauch raus gespielt. Mein Bruder hat immer mit dem Kopf entschieden“, übernimmt Peter als Erster die Antwort.
„Dafür hat er mehr Tore geschossen, weil er nicht lange überlegt hat“, bringt es Tobias auf den Punkt. Bei der Frage zu seinen eigenen Stärken braucht auch er nicht lange überlegen. „Zielstrebig, hochmotiviert für eine Sache und diese mit großer Leidenschaft voranbringen.“
Womit wir bei Olympia wären. 2002 - Olympische Spiele in Salt Lake City! Der Traum eines jeden Spielers, einmal dabei zu sein! „Mit den Besten der Besten in einem Turnier zu spielen, auch Topathleten anderer Sportarten bei ihrer Vorbereitung für den Wettkampf zu sehen, ihre Siege mitzuerleben, aber auch, wie sie mit ihren Niederlagen umgehen, ist spannend zu beobachten und ein einzigartiges Erlebnis“, sagt Tobias Abstreiter, den aufgrund sportlicher Leistungen der damalige Bundestrainer Hans Zach in das Olympia-Team berufen hat. „Und mit Hackl Georg am Frühstückstisch“, erinnert ihn Peter. „Ja, Leute, die du sonst nur vom Fernsehen her kennst, erlebst du auf einmal live.“
Sachlich sind die Aussagen des Center Tobias Abstreiter – Ideengeber und Spielmacher auf dem Eis. In Eishockeyforen liest sich das etwas anders: „Mit der Übernahme des Kapitänamtes entwickelte er sich zur Identifikationsfigur für die nordhessischen Eishockeyfans. Seine Qualifikation als Spielmacher und guter Bullyspieler machten ihn für seine Mannschaft so wichtig, dass der Bundestrainer ihn regelmäßig in die Nationalmannschaft holte.“
Privat gab es während seiner Spielzeit in Kassel auch etwas zu feiern – die Geburt seines jüngsten Sohnes Jonas. Da war Leon, der Erstgeborene, schon vier Jahre alt. Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und spielt heute in der Eishockey-Oberliga bei den „Memmingen Indians“.
Nach den Jahren in Kassel zog es Tobias zurück in die bayerische Heimat zu den Straubing Tigers, wo er seine Spielerkarriere beendete und er den Weg in seine zweite Laufbahn einschlug. Zunächst als Sportmanager, dann als Trainer. 2018 erhielt er die höchste Auszeichnung, die es für einen Eishockeyspieler in Deutschland gibt: Die Aufnahme in die „Hall of Fame“. Mit 47 Jahren!
Nach dem Erfolg von Peter Abstreiter mit den München Barons zur deutschen Meisterschaft, kreuzten sich die beruflichen Wege der beiden Brüder zwei Mal. Bei den Kassel Huskies, bis zum Trainingsunfall von Peter, bei dem ein Totalschaden im rechten Knie die Saison früh beendete und bei den Straubing Tigers.
Zurück bei seinem Heimatverein stoppt zehn Jahre später, 2018, ein Bandscheibenvorfall beim Training kurz seine Karriere. Zwei Tage ist er gelähmt. Zweimal kommt der Notarzt zu ihm nach Hause. „Ich bin schon öfter operiert worden. Das gehört zum Sport dazu. Da muss man positiv bleiben und nach vorne schauen. Ich wusste, das wird eine harte Reha. Aber mit dem Rückhalt der ganzen Familie, meiner Frau, meinem Bruder und meiner Schwester, schafft man das.“ Auch Tobias ist von schweren Schädigungen nicht verschont geblieben. „Ich weiß, wie es ist, von schweren Verletzungen zurückzukommen. Kreuzbandriss mit 36 Jahren. Du hast keinen Muskel mehr, der Fuß ist steif. Du fängst wieder ganz von vorne an.“ Sollten Sie jetzt einen Anflug von Jammern angesichts dieser traumatischen Läsionen herausgehört haben - vergessen Sie es gleich wieder. Die Jungs sind hart im Nehmen! Lamentieren Fehlanzeige! (Und zu dieser Sportart sollte man seine Kinder motivieren?) „Durch Regeländerungen zugunsten des Spielers sind sie heute besser geschützt“, erklärt Peter, der die U11 trainiert. „Früher konnte man den Gegner leichter verletzen“, ergänzt Tobias.
Dann sind also die Zeiten vorbei, als ein Glenn Hall sagte: „Höchste Priorität hatte das Überleben, danach kam das Aufhalten des Pucks?“ Ein Lächeln auf den Gesichtern der Beiden! Woraus man schließen könnte, dass es heute durchaus auch noch eine raue Realität auf dem Eis gibt. Dann die Entwarnung: „Das war in alten Zeiten so.“ Ok, die Aufklärung überzeugt!
2019 schafft Peter Abstreiter, der Top-Torschütze, mit dem EVL den Wiedereinstieg in die DEL2 und beendet seine Profikarriere. „Mit 37 Jahren eine Umschulung zu machen, war ganz schön hart. Wir sind Meister geworden und ein paar Tage später hatte ich meine Abschlussprüfung zum Sport- und Fitness-Kaufmann.“
Eines haben sie im Leben gelernt: Erfolgreich sein, bedeutet harte Arbeit. „Deshalb kann ich Neid auf Erfolg nicht verstehen“, sagt Tobias Abstreiter. „Ich freue mich über die Leistungen anderer, weil ich weiß, wie hart sie erkämpft sind.“
Beide sind Familienmenschen, genießen es, Zeit mit der Familie zu verbringen, etwas zu unternehmen, gemeinsam zu grillen.
Noch weitere Gemeinsamkeiten? „Ich koche gern.“ „Da muss ich passen“, bekennt Tobias. Sie reisen gern. Nur die Reiseziele variieren. Während Tobias dazu tendiert, statt nach Italien, Griechenland und Spanien jetzt auch mal interessante Orte in Deutschland kennenzulernen und sich gerne mit seiner Frau in der Natur beim Wandern oder Radeln aufhält, bevorzugt Peter mit seiner Frau Städtetouren. „Barcelona – da hast du Stadt und Strand, kannst tagsüber shoppen, abends flanieren. Ich hab auch nichts gegen zehn Tage All-inclusive zum Ausspannen oder Camping im Mobilhome am Gardasee.“ Der Privatmann Peter Abstreiter mag es gern gemütlich und ist ein zufriedener Mensch. „Ich lebe im Hier und Jetzt. Ich wünsche mir, dass unser Verhältnis in der Familie so bleibt, wie es ist und alle gesund bleiben. Wir haben tolle Nachbarn, fühlen uns in Essenbach wohl, gehen in Normalzeiten gerne aufs Volksfest und auf den Weihnachtsmarkt. Es passt, wie es ist.“
„Dass ich ein Kopfmensch bin, hab ich ja schon einmal über mich gehört“, sagt Tobias Abstreiter und schmunzelt. „Deshalb sind meine Pläne für die Zukunft: Weiterhin Fairness im Beruf und gut durchdachte, richtige Entscheidungen treffen - beruflich und privat.“
Sie wissen ihre sportlichen Erfolge einzuordnen. Sie haben eine gesunde Selbstwahrnehmung und sind stolz auf das Erreichte. Sie setzen Gerechtigkeit, Mitgefühl, Ehrlichkeit und Familiensinn an erste Stelle vor beruflichem Erfolg.
„Siege, aber triumphiere nicht“ – könnte ihr Credo für berufliches Fair Play und privates Glück lauten. Ein tolles Team und tolle Menschen – die Brüder Tobias und Peter Abstreiter.
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